„Ich hätte weiter sein müssen.“
Oder: Warum dieser Gedanke kein guter Maßstab für deinen Jahresrückblick ist
„Ich hätte dieses Jahr weiter sein müssen.“
Vielleicht denkst du das morgens unter der Dusche.
Oder abends, wenn alles ruhig ist.
Oder zwischen zwei Terminen, wenn kurz Luft ist.
Und meistens denkst du es nicht neutral,
sondern mit Druck.
So, als hättest du etwas falsch gemacht.
Weiter als was eigentlich?
Weiter als dein Plan vom letzten Januar?
Weiter als das Bild, das du von dir hattest, als das Jahr noch leer war?
Weiter als andere?
Dein Jahr bestand nicht nur aus Zielen.
Es bestand aus Arbeitstagen, die nicht kürzer wurden.
Aus Verantwortung, die nicht auf Pause ging.
Aus Themen, die Kraft gezogen haben, ohne sichtbar zu sein.
Wenn du all das nicht mitzählst,
wirkt jedes Jahr zu klein.
Egal, wie viel du getragen hast.
Wenn du deine Ziele nicht erreicht hast
Dann ist der erste Reflex oft Selbstkritik.
Oder dieser Gedanke:
„Andere kriegen das doch auch hin.“
Die Frage „Warum habe ich das nicht geschafft?“
führt selten zu Klarheit.
Sie führt meist zu Druck.
Ehrlicher – und hilfreicher – sind Fragen wie:
-
Was war dieses Jahr realistisch gesehen los in meinem Leben?
-
Was hat dauerhaft Energie gebraucht, auch wenn es niemand gesehen hat?
-
Welches Ziel hätte wirklich Platz gehabt – und welches war zu viel?
Manche Ziele scheitern nicht an mangelndem Willen.
Sie passen einfach nicht zu einem Jahr, das viel fordert und zur aktuellen Situation.
Das sagt nichts Schlechtes über dich.
Es beschreibt deine Realität.
Wenn du ein Ziel erreicht hast – und es fühlt sich trotzdem falsch an
Auch das passiert.
Und es verunsichert, weil es nicht ins Erfolgsnarrativ passt.
Du hast etwas geschafft.
Und trotzdem denkst du:
„Ich dachte, das würde sich anders anfühlen.“
Statt dich dafür zu verurteilen, frag dich:
-
Was genau dachte ich, würde sich durch dieses Ziel verändern?
-
Was davon konnte dieses Ziel überhaupt leisten?
-
Was habe ich mir davon erhofft, weil ich es gerade gebraucht hätte?
Manche Ziele tragen Hoffnungen,
die sie nicht erfüllen können.
Das merkt man oft erst im Nachhinein.
Das ist keine Undankbarkeit.
Das ist Klarheit.
Wenn du dein Ziel erreicht hast – und danach kommt nichts
Kein neues Ziel.
Keine Motivation.
Nur Leere oder Orientierungslosigkeit.
Das muss kein Problem sein.
Oft ist es ein Zeichen von Erschöpfung.
Frag dich nicht sofort, was jetzt „dran“ ist.
Frag dich zuerst:
-
Was hat mich dieses Ziel gekostet?
-
Wovon brauche ich gerade weniger – nicht mehr?
-
Was darf einen Moment lang offen bleiben, ohne entschieden zu werden?
Nicht jede Phase braucht ein neues Ziel.
Manche brauchen erst Erholung vom Müssen.
Was ein guter Jahresrückblick wirklich leisten sollte
Er sollte dich nicht antreiben.
Nicht bewerten.
Nicht motivieren.
Er sollte dir helfen zu verstehen,
warum sich dein Jahr so anfühlt, wie es sich anfühlt.
Wenn du danach sagen kannst:
„Okay. Kein Wunder, dass ich müde bin.“
oder
„Kein Wunder, dass sich das Ziel nicht gut angefühlt hat.“
Dann hat der Rückblick seinen Zweck erfüllt.
Zum Abschluss
Vielleicht war dieses Jahr nicht das Jahr der großen Fortschritte.
Vielleicht war es das Jahr des Durchhaltens, Sortierens, Tragens.
Das ist weniger sichtbar.
Aber nicht weniger wert.
Du musst jetzt nichts daraus machen.
Du darfst einfach hier stehen bleiben –
mit etwas mehr Klarheit
und etwas weniger Selbstvorwurf.
Von hier aus geht es weiter.
In deinem Tempo.
Mit mehr Realität und weniger innerem Druck.
Hab einen guten Start ins neue Jahr!
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